Sagen und Sagenhaftes

Sagen und Sagenhaftes

In alten, alten Zeiten lebten bei uns noch die Riesen, aber einzeln, sehr einzeln, denn jeder mußte für sich ein großes Gebiet haben. Sie hielten nicht gute Freundschaft unter sich, und Neid und Abgunst sogen sie schon mit der Muttermilch ein. Erst als die Menschen, wir kleinen Menschen nämlich, sich hier festsetzten, da schlossen sie ein Bündnis miteinander gegen die Eindringlinge, und konnten sie doch nicht vertilgen. Wie die Zwerge ihre Heimstätten verließen, wenn die Kirchenglocken klangen, so haßten die Riesen auch die Kirchen und suchten sie zu zerstören. Als die Kirche zu Bergstedt erbaut war, sahen’s ein paar Riesen, von denen der eine in der Hamburger Gegend, der andre in der Lübecker hauste. Sie stellten einen Scheinkampf an und warfen mit großen Steinen nach einander. Doch ihre Kraft reichte nicht aus, und die Kirche blieb unverletzt, denn der Stein des Lübeckers fiel in Filters Wiese bei Bargteheide und der des Hamburgers bei Sasel nieder. Da der Hamburger den seinen am ersten erreichen konnte, so durcheilte er die Gegend, konnte ihn aber nicht finden und mußte vergeblich im Sande suchend umher waten. Dabei füllten sich seine Schuhe mit Sand und Erde. Er zog daher erst den einen aus, schüttete den lästigen Inhalt aus, und so entstand dann der Schüberg. Ein paar Schritte weiter mußte er auch den andern Schuh ausschütten, und den dadurch entstandenen Haufen nannten die Menschen später den Bocksberg am Bredenbeker Teich.
Der Saseler Riesenstein diente unsern Vorfahren als 0pferstein , bis man ihn vor einem Menschenalter zersprengte und bei der Berne Siele daraus baute. Der Bargteheider Stein aber ist erst 1878 zerhauen und in Stücken durch Vermittlung des verstorbenen Försters Grube in Wohldorf nach Hamburg verkauft.Auf dem Schüberg hat später, auch noch in alten Zeiten, eine stolze Burg gestanden. Aber sie ist in schlimmen Seiten zerstört und kein Stein auf den andern geblieben. Aus ein paar Trümmern hat sich ein Kätner ein Häuschen erbaut, und ich kenne eine alte Frau, die mir sagte, sie sei noch in der Schübergskate geboren.Im Innern des Berges aber da liegt ein „ schlafendes Heer „. Orte mit schlafenden Heeren weiß man in Norddeutschland und Dänemark gar manche, aber das im Schüberg ist ein ganz großes. Der Müller von der Hoisbütteler Mühle kam zuerst dahinter, daß es im Innern des Schüberges nicht richtig sei. Er hatte nämlich einmal eine Schar Ferkel und ließ sie nach alter Sitte frei beim Hause herumströmen. Bald verschwanden sie schon am Morgen und stellten sich erst am Abend wieder ein. Dabei waren sie dick und rund und verzichteten auf des Müllers bestes Futter. So spürte der Müller ihnen nach und sah, wie sie in einer Höhlung am Fuße des Schübergs verschwanden. So war es klar, daß die Schweine sich von dem abspillenden Hafer der Pferde nährten. Durch einen seltsamen Umstand sollte auch jemand bald das schlafende Heer zu Gesicht bekommen. Ein armer Schmiedsgeselle war’s, der von Hamburg nach Lübeck wanderte. In Hoisbüttel konnte er keine Herberge bekommen. und so mußte er müde noch am Abend weiter pilgern. Auf einmal sieht er einen seltsamen Mann am Wege stehen, der ihn fragt woher ? und wohin ? 0b er ein Schmied sei und Pferde beschlagen könne. Darauf geht er ein und folgt dem Mann durch einen unterirdischen Gang in den Schüberg. Da stehen viele, viele Pferde in weiter Runde. Er will reden, aber sein Auftraggeber legt den Finger auf den Mund und gebietet Schweigen. Er heißt ihn, die Hufeisen der Pferde abzureißen, die lose sind und mit neuen beschlagen. Er schlägt noch einen Blick nach einer besondern Halle mit matter Beleuchtung. Da liegen all die Ritter in ihren Harnischen, mit ihren Schwertern und Lanzen, gerade wie uns Geibel von Barbarossa erzählt. Der Marschall gibt unserm Schmied die alten Eisen zum Lohn. Aus Furcht nimmt er sie mit, sonst hätte er sie fortgeworfen. Er wird wieder an den Weg gebracht und entlassen. In seltsamen Gedanken zieht er weiter. Sein Felleisen wird immer schwerer, und bei der Morgenröte Schein entdeckt er, daß sie sämtlich zu Gold geworden sind.


Quelle:
Ludwig Frahm
Stormarn und Wandsbek, Hand- und Heimatbuch der Heimatkunde, Herausgegeben von Ludwig Frahm, Im Selbstverlag, Poppenbüttel 1907, S. 218f