Das schlafende Heer

Das schlafende Heer

Ein Schmiedegesell wanderte hurtig fürbaß,
der Abend ihm schon auf den Fersen, saß,
er wollte erreichen das nächste Quartier,
bevor` ihm die Nacht verschlösse die Tür.
Da plötzlich trat ihm im Abendschein
am Wege entgegen ein Bäuerlein.„Gott grüßt das Handwerk!“ sagte es schnell,
„Ihr seid, ich seh es, ein Schmiedegesell!“
„Grüß Gott“ so dankte der Wandersmann,
„den Pferden schlag ich die Eisen an!
Ist Krankheit und Not im Pferdestall
auch dann weiß ich Hilfe für jeden Fall!“

„So kommt Ihr mir recht!“, das Bäuerlein sprach
„Ich kann Euch gebrauchen! Kommt, folget mir nach!“
Und eh sich der Bursche noch recht besann,
ging schnellen Schrittes der Bauer voran.
Sie gingen durch Wege wohl kreuz und quer;
die Dämm’rung umfing sie mehr und mehr. – –

Da steigt vor ihnen schwarz und schwer
der Schüberg auf, Nacht ist umher.
Kein Haus, kein Licht ringsum – kein Wort,
der Bauer zieht schweigend den Schmied mit sich fort.
„Wohin geht der Weg! Sprecht! Sonst bleib ich zurück!
Mir scheint, gar unheimlich wird mein Geschick.“

„Nur still und folgt mir, hier geht es hinein,
und fürchtet Euch nicht! Euer Glück wird es sein!“
Der Führer beugt sich zum dunklen Gang;
der Bursche zaudert zaghaft und bang;
„Nein, nein! Hier geht es zur Hölle hinab!“
„Seid Ihr denn ein Weib? Kommt! – Schweigt wie das Grab!“

Da schimmert es matt von flackerndem Licht,
groß stehen die Augen, dem Schmied im Gesicht;
denn vor ihnen dehnt sich wuchtig und weit
ein dämmriger Raum, dem Schweigen geweiht;
es glitzert an Wänden und Deck in der Rund
von tausend Demanten auf goldenem Grund.

Doch leis‘ durch den Saal ein Atmen webt,
entlang den Wänden haucht es und lebt:
In tiefen Träumen ein schlafendes Heer,
von Golde die Rüstungen Waffen und Speer‘. – –
Das Bäuerlein winkt; – – es folget der Schmied,
und weiß noch nicht, wie ihm geschieht.

Auf leisen Zehen schleichen die Zwei
an all den vielen Schläfern vorbei,
und treten in einen anderen Räum;
da stehen die Pferde Zaum an Zaum.
„Hier ist Eure Arbeit!“, der Alte spricht,
„vollendet sein muß sie vor Tageslicht!“

Dem Schmiede grauset’s; er sieht nun das Ziel,
doch sind es der Pferde ihm gar zu viel.
„Herr, das ist unmöglich!“ der Schmiedegesell ruft.
– – Umsonst! – – Der Bursch ist allein in der Gruft.
Dort nur die Pferde bewegen den Schweif;
die Esse schon glüht; die Eisen sind reif.

Da wirft sich der Schmied in die Arbeit hinein:
„Wenn’s Tag wird, mit Gott, geschafft muß es, sein!“
Der Mut gibt ihm Flügel, der Hammer fliegt,
die Hoffnung gibt Glauben, – – und Glaube siegt.
Wohl hundert Gesellen sind unsichtbar sein; – –
er wischt sich den Schweiß – – und ist doch allein!

Und ehe der Tag zu dämmern beginnt,
ist die Arbeit getan. – – Als der Schmied sich besinnt,
ist vorüber die Nacht, – heiß – wunderbar; – – –
er findet sich wieder, wo gestern er war,
wo ihm jener Bauer bot freundlich die Hand, – –
da sieht er sich sitzen am Grabenrand.

Da liegt sein Beutel. Darin ist sein Lohn.
Bis hierher hatte geschleppt er ihn, schon.
„Alt Eisen! – Ha! – Glück? – Gut hast du’s gemeint!
Nur gut, daß die Sonne mir heut wieder scheint!
Ich grüße zum Wandern euch, Himmel und Welt! –
Der Graben hier wohl das Eisen behält!“

Der Beutel springt auf, – – er leert ihn aus,
da fällt es goldglänzend aus ihm heraus.
Der Bursche ist starr von all dieser Pracht:
Er hatte sich Reichtum geholt heute Nacht;
denn alles Eisen ward echtes Gold! – –
Das hatte das Glück von dem Schmiede gewollt!


Quelle:
In Verse gefaßt von Friedrich Sparmann
Jahrbuch des Altstervereins 1946/47, S.104 ff